Werbung: TV oder Online?

Das Augenrollen, welches von vielen Werbetreibenden kommt, sobald man eine Studie zum Thema “Werbung im TV” zitiert, könnte wohl die Rotationsgeschwindigkeit der Erde beeinflussen. Dabei ist es allerhöchste Zeit, mal kurz mit dem Augenrollen inne zu halten, und sich einmal mit der Realität auseinander zu setzen. Denn der von Online-Giganten wie Google und Agenturen gerne heraufbeschworene „Kampf“ zwischen TV- und Online-Medien existiert gar nicht. Viel mehr ist es so, dass Online und TV ein Paar geworden ist, dass man nicht trennen sollte, denn sie können nicht ohne einander. Was das für Werbetreibende in den nächsten 5 Jahren bedeutet und wie diese Herausforderungen gelingen kann, nehmen wir anhand der brandaktuellen Studie “Not all reach is equal” vom Juli 2020 unter die Lupe und fassen die wichtigsten Erkenntnisse übersichtlich im Fazit zusammen.
 Was macht die Arbeit von Karen Nelson-Field bei der angesprochenen, neuen Studie so besonders? Nun, obwohl die Studie von einem TV-Sender finanziert wurde, kann man ihr beim besten Willen nicht vorwerfen, unwissenschaftlich vorgegangen zu sein oder ein tendenziöses Ergebnis zu forcieren. Wer sich mit der Systematik auseinander gesetzt hat, wird sehen: keiner der Kanäle wurde in irgendeiner Form bevorzugt.
 
Das steht im krassen Gegensatz zu dem gefühlten heutigen Ton bei Media-Entscheidern. Ein häufiger Fehler ist – wider besseren Wissens – der Rückschluss von sich selbst auf andere. Das eigene Verhalten (oder das seiner Peer-Group und Familie) wird als Norm vorausgesetzt, unabhängig davon, ob es dem Verhalten der Mehrheit entspricht oder nicht. So überschätzen viele Menschen, die beruflich mit Medien zu tun haben, den Anteil an iPhone-Besitzern oder Netflix-Usern in der Bevölkerung. Dieses subjektive Empfinden kennen wir selbst nur zu gut.
 
Gleichzeitig zeigen aktuelle Statistiken, dass die österreichische Werbeindustrie die Nutzung von Geräten wie Smartphone, Tablet und Laptop für audiovisuelle Medien bei weitem überschätzt. Das fällt auch dem Horizont im Artikel vom Juli 2020 zur brandaktuellen „Not all reach is equal“-Studie auf: 

„Die Studie liefert eine sehr mächtige Erinnerung daran, dass das Format Werbespot in seiner Reinkultur auch heute noch am besten auf dem Kanal funktioniert, für den es seit den 1950er Jahren entwickelt und in den folgenden Jahrzehnten immer wieder verfeinert wurde. Das mag wie eine banale Erkenntnis klingen. Aber es ist erwähnenswert in einer Zeit, in der so manche Marketer die gefühlte Sicherheit der digitalen Reichweitenwerte einer schwerer zu messenden Werbewirkung des klassischen Fernsehens vorziehen.“

Santiago Campillo-Lundbeck

Dennoch lesen wir in Werbe- und Marketing-Trend-Prognosen quasi nur noch ein Sammelsurium an abstrusen Begriffen zu allen möglichen Online Marketing Themen. Beispiel gefällig? Hier haben wir eine Auflistung in alphabetischer Reihenfolge der für 2021 ausgerufenen Trends: Artificial Intelligence, Speechbots, Messenger Marketing, Predictive Analytics, Lifecycle Marketing, Shoppable Posts, Interactive E-Mail, Gaming Influencer, Alternative Social Media Marketing, Just-in-time-Marketing… Nagut. Nach 10 Begriffen haben wir aufgehört. Kannst du jeden einzelnen davon verständlich erklären?
 
Während Online-Marketing-Jünger eine Buzzword-Sau nach der anderen durch das digitale Dorf treiben, vergessen sie nicht selten, dass sich die grundsätzlichen Aufgaben der Werbung auch im digitalen Zeitalter nicht verändert haben: Verkaufsförderung zu betreiben. Denn all diese digitalen Unterthemen beschreiben eigentlich nur einen weiteren Weg, “Menschen abzuholen”, oder auf gut deutsch gesagt: sie auf neuen Wegen mit Werbung vollzumüllen. Dabei sind diese neuen Wege weder bedeutend günstiger, noch wirkungsvoller. Marken und ihre Botschaften müssen heute einen Sinn erhalten, eine Nützlichkeit, ja, im Idealfall eine Unverzichtbarkeit besitzen und natürlich Menschen erreichen. Eine Menge Menschen!

TV ist Spitze!

Genauer gesagt: TV ist  der Spitzenreiter im Bewegtbildkonsum in Österreich. Laut RTR AGTT Studie nutzen wöchentlich alle Österreicherinnen und Österreicher – je nach Altersgruppe sind es entweder 99 % oder 100 % – Bewegtbildinhalte in irgendeiner Form. Dominant dabei bleibt hier ganz klar die lineare Nutzung von TV: mit 77% stellt sie noch immer den Löwenanteil, man erkennt jedoch auch einen Trend zu zeitunabhängigen Nutzungsformen. Non-lineare Nutzungsformen werden somit immer wichtiger, das lineare Fernsehen dominiert aber nach wie vor ganz klar – wider dem Erwarten der Branche. Laut Studien wird die Zeit, die die Menschen in Großbritannien vor dem Fernseher verbringen, um 20% weniger eingeschätzt als sie tatsächlich beträgt. Live TV wird sogar um 40% unterschätzt. Das ist auch in der österreichischen Werbeinustrie der Fall: die Nutzung von Geräten wie Smartphone, Tablet und Laptop für audiovisuelle Medien wird nach wie vor bei weitem überschätzt, wie auch zuletzt im Fachmagazin Horizont zu lesen war.

Source: AGTT/GfK: TELETEST, TV viewing time, people 12+ AIM (Austrian Internet Monitor)[/caption]

Okay, Boomer.

Wer jetzt nach Luft schnappt und„Aber was ist mit den jungen Leuten?“ murmelt, den können wir auch gleich beruhigen: Laut aktuellsten Studien nutzen noch immer 51,5% der 14-19 Jährigen allein das laufende TV täglich, knapp hinter Online Videos mit 54%. Geht man aber eine Altersklasse weiter und nimmt die angeblich so schwer greifbaren und kaufkraft-starke Millenials her, sieht die Statistik schon ganz anders aus: hier liegt laufendes TV mit beinahe 60% deutlich vor Online Video Inhalten mit 43%. Und bei diesen Zahlen sind aufgenommene TV-Inhalte, Live Stream TV und On Demand TV noch gar nicht enthalten: Addiert man auch diese hinzu, macht TV-Content 66 % des Bewegtbildkonsums der jungen Generation, aus
Wer sich für die detaillierte Verteilung des Bewegtbild-Konsums interessiert, wird hier fündig. 
Häufig wird in diesem Zusammenhang von den Digital Natives geredet, die so schwer greifbar wären-was die Frage aufwirft, warum das Alter einen so massiven Unterschied machen soll. Mal ganz abgesehen davon, dass bereits die Generation der heute 50-Jährigen mit einem Computer groß geworden ist, kann es doch in einer so dynamischen Welt wie der digitalen absolut keine Rolle spielen, ob jemand schon als 3-Jähriger ein AOL-Modem neben sich fiepen hörte.„Digital Natives“ ist die Trennung zwischen„digital“ und„analog“ im Übrigen relativ wurscht. Sie nutzen das, was gerade am besten passt – und das ist häufig nicht mehr das laufende TV-Programm, sondern Aufnahmen, Online-Mediatheken oder gar mehrere Bildschirme auf einmal: Stichwort Multiscreen. Mehr dazu findest du hier. Immer häufiger werden Laptop, Tablet, Smartphone und Co als Second oder Third Screen genutzt. Selbst bei dieser gleichzeitigen Nutzung mehrerer Medien ist der Fernseh-Bildschirm der beliebteste!
Doch wen„müde“ Zahlen nicht überzeugen, der sollte mal einen Blick zu den Big Playern in der Online-Welt werfen! So ist zum Beispiel Amazon im Juli 2020 gleich mit 2 Spots an der Spitze vom W&V Adspending-Leaderbord vertreten. Auch Trivago steckt 95% seines Ad-Investments in TV.

Genau hinsehen: Reichweite!

Ein kurzer Blick zum Nachbarn: Fast drei Viertel der deutschen Bevölkerung kommt nicht einen Tag ohne Fernsehen aus, was dazu führt, dass über TV innerhalb eines Monats 93% der Bevölkerung erreicht werden. Dieser Zeitraum lässt sich durch strategische Mediaplanung mithilfe von Sport-Events und Award-Shows um einiges verkürzen. Als Paradebeispiel dienen der Super Bowl oder die WM, denen Jahr für Jahr Millionen Zuschauer treu bleiben – wenn sie denn stattfinden.
 
Die AGTT gibt an:“Innerhalb von maximal sieben bis zehn Tagen erreichen die Werbekunden mindestens 80 Prozent ihrer Zielgruppen in der Bevölkerung – das gilt auch für die jüngeren Altersgruppen.“ Selbst bei den größten Online-Only-Kampagnen im DACH-Raum kann von solchen Zahlen nicht die Rede sein – die Online-Stärken liegen nämlich in anderen Bereichen
 
 Das Problem mit der Online-Reichweite macht dieses Beispiel sehr offensichtlich: 9% der YouTuber machen zwei Drittel des gesamten Traffics aus. Für Marken bedeutet das, dass sie immer mit denselben Personen dieselben Gespräche führen. Dabei steigt die Spannung wahrscheinlich genauso hoch wie die Ausgaben für YouTube Werbung. Fest hält sich auch der Irrglaube, dass Youtube-Intensivnutzer auch viel TV schauen und von daher eine interessante Zielgruppe seien. Doch auch von den Youtube-Wenignutzern erreicht TV 96 Prozent pro Monat. Bei den Intensivnutzern sind es 98 Prozent. Der Nettoreichweitengewinn durch Online-Bewegtbild alleine kann also sehr gering ausfallen.
Diesen Effekt bemerkte auch Procter & Gamble 2019 Aufgrund der Intransparenz bei der Auswertung und der schlechten View-Through-Rates von Online Adskürzte die Marke mit dem Weltweit größten Werbebudget ihr Ausgaben für Online-Werbung um 200 Millionen Dollar – und erhöhten so ihre Reichweite um 10%!

Wir wollen Sales!

Zurück zu den bereits angesprochenen grundsätzlichen Aufgaben von Werbung: Verkäufe ankurbeln. Kein Werbemedium ist so wirkungsvoll und hat so einen hohen ROI wie das Fernsehen. Und das sowohl für den Online- als auch im niedergelassenen Handel! Dank der enormen Reichweite inspiriert das Fernsehen wie kein zweites Medium die Zuschauer zur Produktsuche im Internet und zum abschließenden Online-Kauf – aber warum? 
Der extrem hohe Anstieg von Verkaufszahlen durch TV-Werbung lässt sich gut durch die Art und Weise, wie wir fernsehen, erklären: die entspannte und aufnahmebereite Lean Back Haltung. Wir sind offen für emotionale Inhalte und spannende Geschichten. Während zum Beispiel Werbung in sozialen Medien immer gegen den Content von Konkurrenz und Freunden ankämpfen muss, bekommt der TV-Spot im Fernsehen seine sprichwörtliche Bühne und kann so optimal auf Zuschauer wirken. Das zeigen auch die neuesten Forschungsergebnisse von Nelson-Field: Bei Anzeigen auf Instagram sind im Schnitt 65% der Pixel im Sichtfeld, auf Facebook 64%. Im TV sind es 100% der Pixel.
 
AGTT legt nach in Sachen YouTube: Dort läuft ein Viertel aller YouTube-Video-Minuten in inaktiven Tabs. Nun kann man argumentieren, dass es sicher auch Haushalte gibt, bei denen der Fernseher“im Hintergrund läuft“. Doch auch bei aktiver Nutzung gibt es laut Werner Jordan, Usability-Experte, Unterschiede! Er bekam von der AGTT den Auftrag eine Eyetracking-Studie zu Pre-Roll Werbung durchzuführen. Dabei verglich er die Wahrnehmung von Pre-Rolls bei TV-Mediatheken und YouTube
    • “Während die Video-Werbung läuft, fallen im Schnitt über alle TV-Mediatheken 74,9% der gesamten Betrachtungsdauer auf die Pre-Roll.”
    • Die durchschnittliche Dauer bis zum ersten Mal ein anderer Seitenbereich als das Video betrachtet wird, liegt dabei bei 6,1 Sekunden.
Diese Zahlen wurden den Eyetracking-Untersuchungen auf YouTube gegenüber gestellt:
    • Die tatsächliche Betrachtungsdauer der Pre-Roll macht auf YouTube 37,7% aus. 
    • 24,6% fallen auf den“Überspringen”-Button, den knapp 75% der Studienteilnehmer verwenden.
    • Den Rest machen die rechte Sidebar, die Videobeschreibung und die Kommentare aus.
Die Kombination aus Reichweite und„tatsächlich gesehen werden“ macht TV-Spots so zum Brand Awareness-King!

Ein Hoch auf die Qualität

Werbung muss Marken bekannt, relevant, sympathisch und begehrlich machen. Das funktioniert nur mit hochqualitativen Inhalten – schließlich wirkt sich die Qualität der Werbung 1:1 auf Marke und Produkt aus! Doch was unterscheidet einen Werbefilm mit Qualität vom Rest?

Die Parameter für gute Werbung haben sich auch im digitalen Zeitalter nicht verändert – doch in Zeiten von Content-Überfluss, Fake News und Co. ist es wichtiger als jemals zu vor, positiv aus der Masse heraus zu stechen und Aufmerksamkeit zu erregen. Die Digitalisierung und ihre unbegrenzten Möglichkeiten hatten zur Folge, dass eine Contentproduktionen nach der anderen aus dem Boden schoss. Sei es in Form von Blogs, Vlogs, Social Media Posts, Mails, Newsletters – die Liste ist lang und genauso lang kann es dauern, bis man auf qualitativen Content stößt.
Häufig unterschätzen Marketer den Zuschauer: auch er erkennt einen lieblos produzierten Spot sofort. Statt einer positiven Werbewirkung kommt es gar zum Gegenteil: das Produkt wird als weniger wertig wahrgenommen. Dabei ist auch bei günstigen Produkten, wie zum Beispiel bei Fast Moving Consumer Goods, die Wertigkeit essentiell – dies sieht man zum Beispiel daran, dass immer mehr Discounter auf qualitative TV-Spots setzen.
„Die Kanäle liefern durchaus Leistung, aber wenn Marketer glauben, dass Werbewirkung ausschließlich der Job der Werbemedien ist, belügen sie sich selbst. Und in den meisten Fällen nimmt diese Lüge die Form eines Spots an, der in unterschiedlichen Schnittlängen einfach in allen Kanälen ausgespielt wird.“
Santiago Campillo-Lundbeck

It's a match: TV + Online

Lasst uns endlich den Irrtum vom „Kampf“ zwischen TV und Online aus der Welt schaffen. Die Gemeinsamkeiten sind größer, als die meisten Marketer denken und zusammen sind sie ein unschlagbares Team: Eine gemeinsam durchgeführte Studie von Nielsen und dem IAB fand heraus, dass sich, nachdem ein Werbefilm im TV ausgestrahlt wurde, 20% an die Botschaft erinnern konnten. Wurde davor jedoch online Werbung eingesetzt, stieg die Zahl auf 45%! 40% mehr Menschen fanden die Marke dadurch sympathisch. Die klare stärke von Online ist die Möglichkeit, Inhalte an sehr spezifische Zielgruppen auszuspielen. Deswegen darf in einer guten Media-Planung eine Kombination von TV-Spots und darauf zugeschnittene Online-Inhalte nicht fehlen. Während das Fernsehen die Reichweite bringt, beginnt dann im Netz die Customer Journey

 
Auch die Online-Marketing-Abteilung wird einen deutlichen Uplift nach der Ausstrahlung des TV-Spots bemerken. Durch Call-to-Action-Elemente in Werbespots kurbeln diese mit ihrer hohen Reichweite sofort alle Online-Aktivitäten an: 17% des Suchvolumens und 18% der Seitenaufrufe lassen sich unmittelbar auf TV zurückführen. Nicht umsonst finden so immer mehr große E-Commerce-Unternehmen ihren Weg auf die heimischen Fernsehbildschirme!
TV-Spots wirken so wie Zündfeuer im Netz: Zuschauer posten, bloggen und twittern via Facebook, Twitter & Co. über das laufende Programm und verstärken so das soziale Erlebnis des linearen Fernsehens. Wie diese sozialen Reaktionen ausfallen, wird direkt durch die Qualität des Contents bestimmt – hier ist enormes Potential vorhanden, positiv aufzufallen, während negative Reaktionen im schlimmsten Fall zu einem Shitstorm führen können.
 
Wichtig ist deswegen, zu bedenken, dass Zuseher nach einem TV-Spot so oder so über das Unternehmen reden werden. Es liegt allein an der Brand, Kreation und der Produktionsfirma, dass dies vorteilhaft für das Unternehmen ausfällt!
Ganz vorne mischen dabei Online-Videos mit: man könnte sagen, sie sind das Sahnehäubchen auf einem TV-Spot. Grade deswegen sollten Marken unbedingt die TV-Spot-Produktionen als hochqualitative Online-Content-Schmieden nützen. Schließlich machen sich zueinander passende Bildsprache und wertige Aufnahmen online sofort bemerkbar. Ob es sich um ein Live-Video vom SetInhalte für den Online Shop, ein Gewinnspiel oder virale Social Media Videos handelt.
Wer nun denkt: super, dann poste ich meinen Werbespot einfach auf Facebook & Co, den müssen wir an dieser Stelle leider enttäuschen. Videos im Netz verhalten sich anders und werden vollkommen anders konsumiertSoziale Medien sind ein Dialog-Medium: es erfüllt quasi den hundertjährigen Traum des Marketings, mit seiner Zielgruppe in einen Dialog zu treten. Wer es stattdessen nützt für platte und somit störende Verkaufsaufforderungen, darf sich nicht wundern, wenn das Unternehmen niemanden interessiert. Stattdessen muss gute – und vor allem erfolgreiche – Werbung im Netz eines sein: Ein Geschenk für den User. Ein Gefühl, ein Lachen, eine Erkenntnis – bei der deine Marke mitmischt, aber nicht im Fokus steht. Branded Content ist dafür das beste Mittel – und „verträgt“ sich optimal mit einer TV-Kampagne!
Jetzt, wo es so viele unterschiedliche Varianten für Bewegtbild-Formate und so viele Kanäle mit unterschiedlicher Tonalität gibt, ist die Vorstellung, dass Werbewirkung ausschließlich der Job der Werbemedien ist, gefährlich. 
Santiago Campillo-Lundbeck
Doch auch als Hilfsmittel gegen die Werbe-Tücken im Netz eignet sich TV optimal. So wandelt sich Social Media immer mehr zu einem rein visuellen Kanal. Die starke emotionalisierende Kombi-Wirkung von audiovisuellen Medien fällt langsam aber sicher weg. Auch Google’s Browser Chrome arbeitet derzeit an einer Ad-Blocker-Erweiterung, welches Autoplay-Videos automatisch auf stumm schaltet. Und nach der diesjährigen DSGVO-Novelle ändert ab 2019 auch die ePrivacy-Verordnung eine Menge. Experten sind sich derzeit noch uneinig, wie genau sich diese auf digitale Werbung auswirken wird; in einem sind sie sich aber sicher: es wird massive Änderungen geben. Grade deswegen ist es wichtig, schon heute optimal aufgestellt zu sein und seinen ROI über verschiedene Kanäle zu generieren. 
Außerdem sind gerade in Zeiten von Fake News starke, relevante und glaubwürdige Medienmarken gefragt – und kaum etwas ist glaubwürdiger als TV! So setzte Anfang des Jahres der Lebensmittel-Riese Unilever Google und Co stark unter Druck, als sie ihr Online Budget zu ungunsten der digitalen Plattformen kürzten. Nachdem ihre Anzeigen immer wieder direkt vor- oder nach extremistischer, illegaler oder unethischer Inhalte platziert wurden, sah Keith Weed(CMO Unilever) keine andere Möglichkeit als diese logische Entscheidung:„Auf die Wirkung der Werbung und auf das Image des Unternehmens hat es einen signifikanten Einfluss, in welchem Umfeld die Anzeigen platziert sind.“

Change a running system!

Keine Angst vor Veränderung: TV-Konsum-Arten ändern sich, aber der Konsum bleibt beständig! So konnte das lineare TV im Mehrjahresvergleich seine Spitzenposition als beliebteste Form des Bewegtbildkonsums mit großem Abstand halten, gleichzeitig haben aber zeitunabhängige Formen der Bewegtbildnutzung, also aufgenommenes TV, Online-Mediatheken der TV-Sender sowie OTT-Plattformen deutlich aufgeholt. 
Dabei handelt es sich um eine absolut positive Entwicklung für Werber. Nicht nur, dass sich die Werbewirkung durch die verschiedenen Kanäle potenziert, auch ist es ein deutliches Zeichen, dass der Zuseher unbedingt diese Inhalte sehen möchte. 

Absolut üblich ist die Nutzung mehrerer Bildschirme gleichzeitig, beispielsweise das Smartphone und der Fernseher – aber auch Smartphone, Laptop und Fernseher zur gleichen Zeit sind nicht mehr die Ausnahme! Dabei gibt der TV-Bildschirm den Ton an. Weshalb ist der Second- und Third Screen so eine positive Entwicklung? Wie im letzten Punkt besprochen, feuern TV-Spots durch ihre Reichweite, hohe Suggestiv-Kraft und Aufforderungen die Online-Inhalte massiv an – und das sowohl bei Brand Awareness Kampagnen, als auch für eCommerce.

Auch Social Watching hat sich etabliert: so sitzt die deutliche Mehrheit der Deutschen nicht gerne allein vor dem Fernseher. Man trifft sich, um gemeinsam einen Serien-Marathon zu machen (binge-watching), die Lieblings-Sendung zu schauen, bei der niemand zugeben würde, dass er keine Folge verpasst (Stichwort: Junggeselle sucht Lebens-Abschnitts-Partnerin) oder auch den Jubel bei großen Sportereignissen wie der WM zu teilen. 

Adressable TV wird nun auch in Österreich zum Thema: immer mehr Smart-TVs, genauer gesagt 552.000 erreichbare Geräte, stehen in den Wohnzimmern und eröffnen so Werbern ganz neue Möglichkeiten. Regnet es oder scheint die Sonne? Ist der Zuseher in Tirol oder in Wien? Schaut eine Familie oder ein alleinstehender Student? Adressable TV macht sich die Online-Stärken zu Nutze und spielt so unterschiedliche Spots einer Kampagne an die Zuseher aus: während die Familie zum Beispiel einen Spot für einen Kombi oder Van sieht, bekommt deren Single Nachbar Werbung für einen Sportwagen ausgespielt.

Teilen wir die Rechnung?

Das liebe Geld: keiner redet gern darüber. Lasst es uns trotzdem tun! Marketer werden bei der Budget-Planung immer wieder vor Herausforderungen gestellt: Das Budget wird in den seltensten Fällen größer, während die Digitalisierung immer neue, attraktive Werbe-Kanäle etabliert. Und sie haben recht: es wäre ein entscheidender Fehler für das Unternehmen, diese nicht zu testen und zu bespielen. Doch wo kürzt man? Welcher Kanal verdient welche monetäre Aufmerksamkeit? 
Letztlich sollten sich Werbungtreibende an diesem Punkt auch fragen, was sie wirklich wollen, wenn sie von den unterschiedlichen Kanälen vergleichbare Reichweitenzahlen einfordern. Wenn es um den Vergleich unterschiedlicher Anbieter innerhalb einer Gattung geht, sind solche Forderungen sinnvoll. Aber hat sich wirklich jemals ein Werbungtreibender gefragt, ob er Youtube durch Sat 1 ersetzt? Oder ob er RTL aus dem Mediaplan streicht, um auf Instagram-TV angreifen zu können?
Santiago Campillo-Lundbeck
Wer TV durch Online Marketing ersetzt, geht den Kanalmix falsch an, was sich spätesten durch Umsatzverluste bemerkbar macht. Diese beiden Kanäle arbeiten füreinander und könnten dann nicht mehr ihre volle Wirksamkeit entwickeln. Sie würden gegeneinander arbeiten, was nicht gut ausgeht:„Wurden TV Werbeausgaben reduziert, hatte das einen gesamten Umsatzverlust von 94 Millionen Dollar zur Folge, was für 68% des ursprünglichen Umsatzes steht.“ stellte das US-Unternehmen Turner Broadcasting bei ihrer Analyse fest. Ganz im Gegenteil zu P&G, die ihr Werbe-Budget umstrukturierten: die 200 Millionen Dollar, die sie vom Online-Budget abzogen, steckten sie direkt in TV-Werbung und Streamingdienste und übertrafen so ihre Marketing-Ziele. Ähnliche Erfahrungen machten auch Unilever.
 

Doch eine intelligente Bewegtbildplanung kann alle Marken-KPIs steigern! Welche Aufmerksamkeit man dabei dem jeweiligen Kanal widmet, hängt zwar auch von der Zielgruppe, dem Produkt und den Marketing-Zielen ab, darf aber nicht den tatsächlichen Return of Investment außer acht lassen – und der ist bei TV-Werbung für sehr viele Produkte am höchsten. Das sieht auch das Fachmagazin t3n so: „Sinnvolles Budget-Splitting: Die Lösung kann sein, Kampagnen mit einem Anteil von 25 Prozent Werbung in Spartensendern und 20 Prozent Screenanteil zu planen.“ Und auch Horizont.de schreibt im Juli 2020: “YouYube kann seine Nutzerzahlen so sehr ausbauen wie es will, es wird trotzdem nicht den Löwenanteil an den Werbeetats der Automarken erobern können. Denn die zahlungskräftigen Käufer von Neuwagen werden auch in absehbarer Zeit ihre Unterhaltung vor dem Fernseher und nicht am Smartphone suchen. Umgekehrt werden die Game-Entwickler selbst von der überzeugendsten Wirkungsstudie nicht überzeugt werden, die Mehrheit ihrer Werbung im TV zu schalten.” Wie immer lautet die Devise also: es kommt darauf an.

Fazit:

TV und Online haben gar nicht so viele Unterschiede, wie häufig angenommen wurde. Sie beide arbeiten nach ähnlichen Parametern wie zum Beispiel Qualität und dem Fokus auf den ROI. Zusammen bilden sie ein unschlagbares Team und arbeiten nicht gegeneinander, sondern füreinander und miteinander. Deswegen müssen für eine erfolgreiche Marketing-Strategie und Mediaplanung alle Steps aufeinander abgestimmt werden – denn nur so können die verschiedenen Kanäle ihre maximale Wirkung entfalten. Dabei dürfen sich Entscheider nicht von ihren persönlichen Eindrücken beeinflussen lassen, sondern mit tatsächlich belegbaren Zahlen arbeiten. So wäre es ein fataler Fehler, Neuerungen und aktuelle Trends in der Werbung nicht zu kennen – aber auch, diese nicht kritisch zu hinterfragen! Entwicklung lässt sich nicht aufhalten, deswegen muss man passend darauf reagieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Zeit des Corona-Lockdowns, als die Zuseher-Zahlen und Glaubwürdigkeit von TV noch einmal einen neuen Höchst-Stand erreichten.

 

 

 

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